Weil es zur Zeit Jesu üblich war, den Frauen den Zugang zu Leiterschaft zu verwehren, ist diese Haltung noch lange kein Beweis dafür, dass dies auch Gottes Wille und Gottes Plan ist.
Diese Thematik ist ein ewiges Reizthema, wo sich Kirchen und Organisationen seit jeher in den Haaren liegen. Die Meinungen scheinen gemacht, deshalb wird man, was immer man darüber sagt, dem einen oder dem anderen Lager zugeordnet. Wenn es uns gelingen würde das geschlechterspezifische Thema dort zu lassen, wo es entstand, also in der jeweiligen Kultur, dann kommt man meines Erachtens zu einer besseren Einschätzung. Das Christentum des Altertums oder die Botschaft Jesu ist mal zu allererst ein Tabubruch mit dem Frauenbild der Antike. Sie ist nicht mehr ein Untermensch, sondern dem Mann ebenbürtig. Der Zugang zu den Heilsmitteln ist derselbe, sehr zum Leidwesen einer frauenfeindlichen Gesellschaft im Judentum, aber auch in der griechischen Welt. Dies hatte zur Folge, dass sich Frauen aus der Unterjochung befreiten und es zu Auswüchsen in der jungen Gemeinde kam. Deshalb kam es auch zu einer schriftlichen Regulierung durch die Apostel, die herausgerissen aus ihrem historischen Kontext, unverständlich ist. Wenn wir heute diese Texte lesen, in einer Welt, die über die Rolle der Frau ganz anders denkt als die Gesellschaft damals, dann hören sich diese Texte völlig altmodisch an.
Die Frau im jüdisch- griechischen Kulturbereich
Das Neue Testament entstand im jüdisch/griechischen Kulturbereich. Es war selbstverständlich, dass es in einem Haushalt Sklaven gab. Paulus und die anderen Apostel, haben sich nie stark gemacht, die Sklaverei abzuschaffen; ganz im Gegenteil, sie schreiben, ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens als dem Herrn Christus (Eph 6,5). Will das nun heißen, dass Sklaverei biblisch sei und wir diese wieder einführen sollen? Damit will ich sagen, dass nicht alles, was als kulturelle Gegebenheit zu biblischer Zeit Standard war, auch Gottes Wille ist. Die Sklaverei wurde erst im 19. Jahrhundert, durch die Aktivität von Christen abgeschafft[i].
„Es sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt“ 1Kor 14,34 LUT.
Die spezielle Situation in Korinth
In der Gemeindeversammlung in Korinth, wohin Paulus diese Anweisung schrieb, gab es einige starke Frauen. Korinth war ein internationaler Hafen (Kenchreä Röm 16,1), in der Bedeutung ähnlich wie heute Hamburg. Dort, wo sich viele Seeleute tummelten, die über Monate und Jahre von zuhause weg waren, grassierte auch die Prostitution. In der vorrömischen Zeit herrschte in Akrokorinth (dem Berg über Altkorinth) sogar eine weit über die Grenzen hinaus bekannte Tempelprostitution. Korinthische Mädchen waren nicht nur im alten Griechenland sprichwörtlich. In der römischen Zeit wurde diese Praxis stark eingeschränkt. Aber im Hafen der antiken Großstadt, gab es bis zu 1000 Prostituierte. Laut manchen historischen Quellen war Cloe, eine entlassene Sklavin, die selbst Sklavinnen, in einem Haus am Hafen beschäftigte. Das Gewerbe dieser Frauen ist nicht erwähnt. Man könnte jedoch vermuten, dass Cloe und ihre Frauen, vor ihrer Bekehrung, ihre Dienste den Seeleuten angeboten haben. Fakt ist, dass Paulus von den Leuten der Chloe über die Missstände in Korinth informiert worden ist (1Kor 1,11) und er sich dadurch veranlasst sah, den ersten Brief an die Gemeinde zu schreiben. Dies ist aus der Optik jener Zeit ungewöhnlich, denn eine Frau schrieb nicht und schon gar nicht einem Apostel, der irgendwo anders weilte. Dafür wurde sie jedoch vom Apostel nicht getadelt! Getadelt werden hingegen andere unhaltbare Missstände in der Gemeinde, dass es Zank und Streit gab (1. Kor.1,10), dass Eifersucht und Streit unter ihnen herrschen (1. Kor.2,1), dass ein Bruder mit der Frau seines Vaters lebt (1. Kor.3,1), dass Rechtstreitigkeiten von Brüdern vor dem weltlichen Gericht ausgetragen wurden (1Kor.6) und, dass eine Frau ohne Kopftuch prophetisch in der Gemeinde redete (1. Kor. 11). Ohne auf die ganze Problematik einzugehen, kann man aus dem Kontext heraus verstehen, dass die Frau nicht deshalb kritisiert wurde, dass sie als Frau redete, sondern weil sie ohne Kopftuch redete. Aber warum das Kopftuch? Weil sie ohne Kopftuch als „korinthisches (leichtes) Mädchen“ wahrgenommen wurde. Es wäre vergleichbar, wenn heute eine Schwester am Podium Lobpreis machen würde, einen sehr kurzen Rock anhat und Stiefel bis über die Knie. Wie würde sie heute vom Publikum wahrgenommen werden? Im selben Zusammenhang steht die Aufforderung des Apostels, dass die Frauen in der Gemeindeversammlung schweigen sollen (1.Kor.14,34). Allein die Frauen aus dem Hause Chloe waren geschwätzig und nicht zurückhaltend (auch Chloe nicht, die dem Apostel in Umgehung der Gemeindeleitung einen Brief schrieb). Dazu hatte eine Frau im alten Griechenland keine schulische Ausbildung und deshalb, gelinde ausgedrückt, war sie ungebildet, während das Haus des Stephanas gebildete Leute waren und auch Teil der Ältestenschaft (1Kor 16,15, 1Kor 1,16). Wir würden heute genau dasselbe tun. Wir würden sagen, „jetzt setzt euch bitte hin, hört auf zu schnattern und hört zu, was im Gottesdienst gepredigt wird.“
Die Rolle der Frau heute
Somit geht es in der biblischen Diskussion nicht um eine Geschlechter Diskussion, sondern es geht um gesellschaftliche Belange. Hätte eine Gruppe Männer eine ähnliche Unordnung im Gemeindeleben verursacht, hätte Paulus zu ihnen ähnliches gesprochen. Damit möchte ich abschließend dafür eintreten, dass wir die ganze Diskussion in christlichen Kreisen, ob Frauenpriesterschaft erlaubt oder verboten sei, ob ein Pastor oder ein Ältester männlich oder weilblich sein soll, beenden. Wenn Gott einer Frau einen Dienst in der Gemeinde gegeben hat, dann soll sie diesen ohne Wenn und Aber ausführen können. Wenn in unserer Gemeinde eines Tages eine „Joyce Meyer“ aufstehen sollte, dann sollen die Männer besser sitzen bleiben und ihr zuhören.
Die Gemeinde Jesu ist die Hoffnung der Welt, und ihre Zukunft liegt in erster Linie in der Hand der Menschen, die sie führen![ii]
Quellen:
[i] Der Mann der die Sklaverei abschaffte
Siehe auch: Kommentar zur Bibel, Brockhaus, S.333
[ii] Mutig führen, Bill Hybles, ISBN 3-86591-802-6, S.29