Jugend ohne Gott?

Die Formulierung “Jugend ohne Gott” ist m.E. eine steile These. Einerseits zurecht, wenn man auf die heutige Zeit bzw. Gesellschaft schaut: unsere Kirchen sind leer (wenn nicht, dann sitzt vielleicht ein “Omale” oder “Opale” in den hintersten Bänken), das Christ-Sein bzw. das sog. “Kirchngian” wurde völlig säkularisiert und zur Privatsache gemacht – und wenn es privat ist, dann interessiert es keinen mehr, wenn du Christ bist. Ein Stichwort, das in die heutige Zeit passt, ist “Tol(l)eranz” (ja, richtig, mit zwei “l”), denn alles ist toll, alles ist gut, wenn es für dich stimmt, aber das gilt nicht für mich, denn jeder soll zu dem stehen, was er denkt. Man könnte beinahe sagen, dass die heutige Jugend nach dem Motto der Epikureer lebt, was eine ausgeprägte philosophische Richtung im 4. Jh. n. Chr. war, die folgendes besagte: “Lebensgenuss ist das wichtigste, das es gibt”. Wenn es also früher Instagram gegeben hätte, dann hätte man wohl das Hashtag #essetundtrinketdennmorgensindwirtod gefunden. Heute würde man vielleicht eher sagen #YOLO…(“YouOnlyLiveOnce”) – tue, was du willst, und mache dich zu dem, der du sein willst.

 

Fakt ist: unsere Gesellschaft bzw. unsere Generation hat sich in den letzten 50 Jahren drastisch verändert, das zeigt auch schon nur das Vokabular der deutschen Sprache: “Gammelfleischparty” (eine Ü-30 Feier), “rumoxidieren” (chillen, entspannen, abhängen), “fly-sein” (etwas/jemand geht besonders ab) sind nur einige der vielen Jugendwörter, die jedes Jahr neu entstehen und in einer sog. “Rangliste der Jugendwörter” im Internet angeführt werden.

Es ist also zu sagen, dass sich die Gesellschaft und mit ihr die Jugend und ihre Sprache verändert. Dass hier die Frage gestellt wird, wo denn um alles in der Welt Gott geblieben ist, ist demnach eine berechtigte Frage.

 

Andererseits sei es mal dahingestellt, ob da gleich von einer “gottlosen Jugend” zu sprechen ist. Die wesentliche Frage ist eigentlich nicht: “Jugend ohne Gott?”, sondern: “Jugend ohne welchen Gott?” Wir müssen uns bewusst sein, dass niemand Gott genau definieren und kognitiv-rational erfassen kann, denn dann wäre Gott nicht mehr Gott. D.h. konkret, dass Gott für uns das ist, wie Er sich uns offenbart, wie wir Ihn erleben im Alltag und welche Erfahrungen wir mit Ihm machen. Natürlich haben neben unseren individuellen Erfahrungen mit Gott ein gemeinsames Fundament, ein Zeugnis, ein historisches Ereignis, die Geschichte von Jesus, auf die unser Glauben gegründet ist. Und die in der Bibel enthaltenen Schriften – es gäbe ja noch einige mehr – machen nichts anderes, als dass sie Zeugnis von diesem Geschehen ablegen und sich fragen, was das jetzt für ihr Leben bedeutet. Was ich sagen will ist: Wir können Gott nicht auf eine Systematik oder auf ein theologisches Konstrukt beschränken. Wir können Gott aber auch nicht nur auf unsere eigenen, persönlichen Erfahrungen beschränken, weil ja jeder Mensch Gott anders erlebt und Gott viel mehr ist, als einfach nur so, wie wir Ihn mal erlebt haben. D.h., dass wenn wir von Gott sprechen, dann verbinden wir damit immer schon ein gewisses Bild/eine gewisse Vorstellung, das/die geprägt ist von dem, was wir gehört und wie wir Ihn erlebt haben. Deshalb müssen unsere Bilder und Vorstellungen von Gott immer wieder neu kritisch hinterfragt werden.

Und genau das merke ich manchmal in Gesprächen mit jungen Leuten, wenn sie sagen: “Ich glaube nicht an Gott.” Wenn sie mir dann erklären, was für sie Gott ist, also welche Vorstellungen sie haben, und welche Erfahrungen sie damit verbinden, dann muss ich auch oft sagen: “Stimmt, du hast Recht. An diesen Gott glaube ich auch nicht.”

D.h. einerseits, dass sich jeder fragen muss, was für ein Bild er von Gott hat?! Und wo könnte es sein, dass ich Gott auf diese meine Vorstellungen beschränke?

Andererseits müssen auch wir Christen uns immer wieder kritisch fragen, was für ein Bild wir als Christenheit, als Gemeinschaft der Gläubigen, als Kirche von Gott repräsentieren?!

 

Denn sehr oft ist es ja so, dass wir vorschnell mit dem Finger auf jemand zeigen und sagen: “Gottlose Jugend”, oder “kein Christ”…“Oh…Jugend ohne Gott!”, anstatt dass wir uns fragen, was für ein Bild oder eine Vorstellung dieser Mensch oder diese Gruppe – in unserem Fall: “die Jugend” – von Gott hat. Was ich mit dem sagen will ist, dass das Problem der heutigen Jugend nicht unbedingt ist, dass sie sich einfach keine “letzten Fragen” mehr stellt und einfach so in den Tag hinein lebt, ja dass sie für Spiritualität und Sinn im Leben nicht mehr offen ist. Nein! Die jungen Menschen heutzutage machen sich sehr wohl Gedanken. Vielmehr ist es so, dass sie ein falsches bzw. verzerrtes Verständnis oder Bild von Gott haben. So, wie sie sich Gott vorstellen und was sie mit dem Begriff “Gott” und “Kirche” verbinden, geht nicht mit ihrer Realität einher. Und das ist ein Dilemma, bei dem wir (als Kirche) nicht ganz unschuldig sind.

 

Dieses Jahr steht ja ganz im Zeichen der Reformation: 500 Jahre Reformation. Das zentrale Anliegen der Reformation war es, dass der Glaube nicht von der Bühne und von vorne aus vorgeglaubt werden konnte. Das tönt vielleicht ein bisschen lustig oder banal, aber das ist echt ein wichtiger Punkt gewesen: der Glaube ist etwas Persönliches, nicht im Sinne von “behalte ihn für dich”, sondern “reagier darauf!” D.h. die Idee ist, dass man Verantwortung nicht abschieden kann. Jeder Mensch trägt Verantwortung im Beruf, in der Familie, auf der Straße, wenn es einen blitzt usw. Was man damals betonen wollte war folgendes: Es geht um mich! Das Problem ist nur, dass wir diesen Punkt in heutiger Zeit vielleicht zu ernst genommen haben. Heute ist es so, dass wenn es um den “persönlichen” Glauben und um das Christ-Sein geht, dann will/darf niemand mehr darauf reagieren, sondern: “Ah, du bist Christ, voll cool, aber behalte das für dich, ist besser so!” Jeder ist für sich selbst verantwortlich und ich muss nichts machen, was ich nicht will oder was mir jemand vorgibt, kurz: Individualismus.

 

Anders könnte man das mit dem Bild und in der Sprache des Theaters verstehen: Es ist ja nun mal wirklich so, dass man im Leben eigentlich nur sich selbst zur Verfügung. In einem gewissen Sinne, spielen wir immer “die Hauptrolle” in unserem eigenen Leben. Den einzigen, den ich immer und überall um mich herumhabe, bin ich selbst – schon nur deshalb lohnt es sich, wenn ich kein Tepp bin, denn das wäre sonst auf Dauer sehr anstrengend. elter

 

Jedenfalls spielt man die Hauptrolle im eigenen Leben und füllt sozusagen die “Theaterbühne” mit der eigenen Story, alles läuft nach dem eigenen Drehbuch. Das Leben ist wie ein Theaterstück und das Skript von diesem Stück schreibe ich selbst. Ich gebe meinem Leben Sinn und denke mir eine Story aus: Wer ich bin oder wer ich gern sein möchte usw. Und ich beschäftige mich mit den Fragen: Was wird mal aus mir? Was denken die Leute, wenn sie an mich zurückdenken? Und so erfinde ich mich selbst immer wieder neu: früh morgens überlege ich mir, was ich alles machen muss, was ich anziehen will etc. Abends spät kommt mir in denn Sinn, was ich noch alles hätte erledigen sollen usw.

So sind wir ständig an einer Geschichte in unserem Kopf am Schreiben: die Geschichte von unserem Leben. Nenne wir das mal ein “Drehbuch.”

 

Und wenn jetzt die Geschichte ein Drehbuch ist, dann bin ich natürlich der Hauptdarsteller, die Hauptrolle. Unser Umfeld wird zur Bühne. Und auf dieser Bühne läuft – wie gesagt – jedem sein eigenes Leben ab. Das Problem ist das Folgende, das sich auch im Rahmen eines Theaterstils vergleichen lässt: Interessanterweise gibt es eine Art von Theater, in der der Darsteller absolut alleine ist. So alleine, dass für ihn nicht mal mehr Gegenstände existieren. Alles, was es gibt, existiert nur in seinem Kopf: der Pantomim. Der Pantomim ist das perfekte Beispiel für einen Menschen, der sich völlig in sich selbst verkapselt und isoliert hat. Einerseits hat er auf seiner Bühne viele Freunde, geht auf jede Party und kennt jeden. Der Pantomim ist der Herr von seiner ganzen Welt. Andererseits ist dem Pantomim zwar ein Lachen aufs Gesicht gemalt, in seinen Augen aber liegt er in tiefer Trauer. Er winkt freundlich, kann aber niemandem “Servurs, Griaßti!” sagen. Sein Problem ist natürlich, dass er zwar alles hat, was er will, aber leider nur in seinen Vorstellungen.

 

Und hier finden wir uns doch häufig. Wir sind doch manchmal genauso in uns selbst verkapselt und nach außen hin isoliert, dass wir alles andere gar nicht mehr wahrnehmen. D.h. der Pantomim ist ein gutes Beispiel für einen Menschen, der nach seinem eigenen Drehbuch lebt, dabei aber nicht wirklich glücklich wird. Er sehnt sich nach Liebe, Annahme, Gemeinschaft etc., aber in seiner eigenen Welt gibt es nichts, das seine Sehnsucht stillen kann.

Und das ist es ja auch, was die ganze Social-Media-Welt uns, der heutigen Jugend, vorgaukelt: “Du schreibst deine eigene Story”[…]“Mach dich zur Hauptrolle und nimmt die Bühne ein”[…]“Du kannst dich zu dem machen, wer du sein willst”[…]“Du kannst ein bisschen singen, ja dann kannst du Karriere machen und weltberühmt werden”[…]“Wenn du keine Freunde hast, kein Problem!, dann füge doch auf Facebook noch 400 Freunde mehr dazu, dann hast du viele Freunde.”

 

Natürlich ist unser Leben nicht genau das gleiche wie das des Pantomims. Wir sind nicht immer schon und von Anfang an alleine. Nein, wir sind immer schon mit anderen und auch mit Gott zusammen auf der Bühne: mit unseren Freunden, unserer Familie, unseren Mitarbeitern, mit dem Fahrlehrer, mit dem Zahnarzt usw. …und irgendwo ist auch noch der liebe Gott.

Und das ist gut so, denn ich kann einerseits mit Freunden interagieren, sie können mir helfen, sie haben mich gern und ich kann dadurch Gemeinschaft haben; Und andererseits verstehe ich erst durch den Kontakt mit anderen Menschen, wer ich wirklich bin.

Probleme und Schwierigkeiten treten erst dann auf, wenn meine persönliche Story den ganzen Raum ausfüllt, wenn ich als Hauptrolle die ganze Bühne fülle. Denn dann bleibt für die anderen Menschen und auch für Gott nur noch eine Statistenrolle übrig. Vielleicht mache ich zwar jemand anderen zur Hauptrolle, vielleicht dreht sich das Leben um jemand anderen (verliebte Teenager beispielsweise), aber auch dann erlaube ich der Person nicht wirklich sich selber zu sein, sondern ich drücke sie immer wieder irgendwie in eine Kiste, eine Box hinein, wie sie nach meinen eigenen Vorstellungen sein sollte. Eltern, wo z.B. ihre Kinder vergöttern, geben ihnen nie den Raum, eigene Entscheidungen zu treffen.

 

Wir halten also fest: Wer die Hauptrolle ist, macht seine Mitmenschen zur Nebenrolle. Wer die Hauptrolle ist, der macht Gott zur Nebenrolle. Und hier liegt m. E. eine der wesentlichen Gefahren in der heutigen Welt, was speziell die Jugend betrifft: jedem Teenager wird heutzutage die Welt versprochen. Jedem wird sein Leben wie ein “ungeschriebenes Blatt” verkauft, auf das er seine eigene Story nach seinen Wunschvorstellungen schreiben kann. Abgesehen davon, dass das Unsinn ist und nicht der Realität entspricht, kommt noch hinzu, dass sich gerade junge Menschen, mit diesen illusorischen und idealen Wunschvorstellungen, die ihnen versprochen werden, maßlos überfordert sind (Jugendliche wissen nicht mehr, wer sie sind, was sie gut können und v.a. was sie nicht gut können). Und trotzdem werden alle dazu gedrängt, ihre eigene Story zu schreiben, alle müssen gut aussehen, sich modisch bekleiden, erfolgreich sein usw.

 

Und hier können/müssen wir uns fragen:

  • Hat unsere eigene Story zu viel Gewicht?
  • Ist in unserem Drehbuch überhaupt Platz für andere Akteure?
  • Bin ich überhaupt fähig, das Skript für das Theater zu schreiben? Oder brauche ich womöglich jemand anderen, der mir dabei hilft?

 

Die heutige Bibelstelle ist eine, in der die Provokation und Radikalität der Botschaft Jesu zum Ausdruck kommt:

 

Mt 16,24–25

Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

 

Was bedeutet es aber, “sich selbst zu verleugnen”, “sein Kreuz auf sich zu nehmen”, “jemanden nachfolgen zu müssen”, “sein Leben zu verlieren”? Wie sind diese Worte des Jesus von Nazareth zu verstehen?

 

Nimmt man hier nochmals das Bild vom Theater zur Hilfe und versucht es, mit diesen Versen zu erklären, dann bedeutet “das eigene Leben erhalten wollen” genau folgendes:

  • das eigene Drehbuch um jeden Preis durchsetzen zu wollen
  • die eigenen Vorstellungen, wie unser glückliches, gelungenes und erfolgreiches Leben aussehen müsste, nicht loslassen zu können
  • mit dem, was wir haben, nie zufrieden zu sein, nie genug zu haben; unsere Sehnsucht kann nie gestillt werden, weshalb wir von den “Nebenrollen” um uns herum immer Dinge erwarten, die sie uns gar nie geben können

 

Und dagegen sagt Jesus jetzt: “Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.”

Wie ist aber das zu verstehen?

 

Mir kommt vor, dass in diesem kurzen Satz ein Geheimnis verborgen liegt, wie Leben wirklich gelingen kann. Und genau das ist es ja auch, was ich mir und was sich die heutige Jugend fragt: Wie kann ich ein glückliches, gelungenes Leben haben?

Wenn wir nochmals im Bild vom Theater bleiben, dann heißt “das Leben verlieren um Jesu Willen”, das eigene Drehbuch loszulassen. Jesus deckt hier ein Missverständnis auf: Wer meint, er könne sein Leben vollständig bestimmen und sichern, der ist nicht ehrlich zu sich selbst (gerade in der Jugend ist es ja am offensichtlichsten, dass das nicht funktioniert: egal wie viel Make-Up, ob ich die beste Gesichtscreme benutze, egal ob ich die beste Kosmetik in Anspruch nehme: die Falten kommen trotzdem, ich werde einfach älter, meine Haut verrunzelt). Aber auch in anderen Bereichen, wie Gesundheit, Besitz und Erfolg. Auch hier haben wir nichts wirklich im Griff. Wir können hart dafür arbeiten und uns anstrengen, aber wirklich bestimmen können wir es nicht. Was wir als Lebensqualität bezeichnen, ist in Wahrheit kurzlebig und vergeht.

Das eigene Leben verlieren – wie es Jesus sagt – heißt also, dass wir uns eingestehen:

Es geht im Leben nicht primär darum, dass ich sein kann, wer ich will, wenn ich mich nur fest genug anstrenge, sondern vielmehr darum, dass ich merke, dass “Leben finden” damit zu tun hat, dass ich in Beziehung bin, dass ich auf Gott und den Nächsten ausgerichtet bin, anstatt auf mich selbst bezogen bleibe.

 

Jesu Wort stellt uns also vor die Frage: Versuche ich das richtige zu retten, wenn ich mit aller Kraft verkrampft an meinem eigenen Theaterskript – d.h. meinen Vorstellungen, wie gelungenes Leben aussehen sollte, – festhalte, oder ist es nicht viel mehr so, dass ich es gerade dadurch verliere?

Meine Erfahrung ist: Je mehr ich versuche etwas festzuhalten, desto mehr scheint es mir zu entgleiten. Und je mehr es mir entgleitet, desto verkrampfter halte ich daran fest.

Gerade dieser Abwärtsspirale setzt Jesus sein Wort gegenüber: „…wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.”

 

Das ist natürlich kein Aufruf zur Selbstzerstörung oder Selbstentwertung. Das bedeutet nicht, dass alles, was ich tue und zu was ich Lust habe, sinnlos und schlecht ist – um das geht es nicht! Vielmehr ist es ein Aufruf, ganz Mensch zu werden. Wenn ich aufhören kann immer mehr zu wollen, immer dem nachzueifern, was ich nicht haben kann, wenn ich diese eigenen Vorstellungen: “Ich kann alles machen, was ich will, und alles werden, was ich sein will”, wenn ich das „verlieren/loslassen kann“, dann beginne ich wirklich zu leben. Und das ist es ja, was ich will und was wir alle wollen. Und dieser Punkt wird – glaube ich – sehr häufig falsch verstanden. Wir meinen oft, wir müssten unser Leben und alles, was wir gerne machen, aufopfern, um diesem Jesus nachzufolgen. Wir haben irgendwie Angst, dass der Glaube an Ihn wie ein Gesetz ist, an das ich mich halten muss (die strengen 10 Gebote: “Du sollst nicht…usw.”). Eigentlich sagt mir Gott einfach alles, was ich nicht tun darf – meinen wir oft. Und genau solche Gespräche hatte ich schon mehrmals mit Menschen: “Ich kann nicht frei sein” war die Aussage, die am meisten kam. Aber das Perverse/Absurde ist ja gerade, dass diese Leute selbst in ihrem Leben gar nicht frei sind, sie meinen nur, sie seien frei.

Sehr oft meinen wir, dass Freiheit nur Wahlfreiheit bedeutet. Ich bin frei, solange ich mich frei entscheiden kann. Real entscheiden wir uns aber gar nie frei, wir können es auch gar nicht, weil uns immer jemand, sei es unsere Eltern, unsere Freunde oder auch ganz extrem im Moment die Social-Media-Welt sagen, wie und für was wir uns zu entscheiden haben. Freiheit bedeutet nicht einfach Wahlfreiheit. Menschen, die sich immer eine Option frei halten wollen, die sich nie für etwas entscheiden können, fallen sich selbst zum Opfer und sind nicht frei. Ein Beispiel soll helfen: Ein junger Mensch steht vor der Entscheidung, welchen Beruf bzw. welches Studium er in Zukunft machen möchte. Ihm stehen “x-verschiedene” Möglichkeiten zur Verfügung, was er tun will und die er sich alle offenhalten will. Das mag schön und verlockend tönen, aber in dieser Phase, sich frei zu fühlen, sich für alles entscheiden zu können, in dieser Phase ist er überhaupt nicht frei – im Gegenteil, das ist ein hin und her, das nur ist anstrengend! Wirklich frei ist der Mensch erst, wenn er sich für einen Beruf/ein Studium entschieden hat, das ihm wirklich entspricht, wo seine Fähigkeiten und Gaben zur Geltung kommen und wo er derjenige sein kann, der er wirklich ist.

Wirkliche Freiheit bedeutet also, dass ich mich immer weniger für Dinge entscheiden muss. Dass ich immer freier im Kopf werde und merke, was wirklich wesentlich ist und gegen oder für was ich mich gar nicht mehr entscheiden muss. Das war übrigens auch bei den frühen Christen die Auffassung von Freiheit: Freiheit bedeutete nicht unbedingt frei werden als Person, als Sklave und sich frei entscheiden können, sondern Freiheit, die durch Christus kommt, bedeutete: immer mehr Mensch zu werden, immer mehr zu dem zu werden, was Gott in mich hineingelegt hat. Immer mehr zu entdecken, welche Gaben in mir stecken und was Gott für einen Plan mit meinem Leben hat.

Und hier schließt sich auch wieder der Kreis zum Beginn, als ich sagte, dass es wichtig ist, was für ein Bild wir von Gott haben: Ist Gott jemand, der mir etwas vorenthält? Ein Gott, der mich gefangen nimmt? Ein Gott, der mir meine Freiheit nimmt? Nein! Ist er nicht!

 

Wenn ich also mein Leben verliere um Jesu Willen, wenn ich mein eigenes Drehbuch loslasse, dann werde ich nicht nur frei, sondern dann gibt mir das Hoffnung. Und deshalb – meine lieben Leute – suchen junge Menschen Gott, weil sie Hoffnung suchen und Hoffnung brauchen. Deshalb folge ich diesem Gott nach, weil er mir Hoffnung gibt. Weil ich nicht verkrampft an meinem eigenen Drehbuch herumschreiben muss, dass hoffentlich ein Happy End rauskommt. Weil ich mit allen Problemen mit den Nebenrollen auf der Bühne alleine nicht fertig werde, genau deshalb will nicht ich die Hauptrolle sein und das Skript schreiben, sondern ich will, dass ER, dass Gott, die Story schreibt und ich auf der Bühne mitspielen kann.

 

Und das ist die christliche Einsicht: Das Drehbuch der Welt hat eine Hauptrolle, aber die muss nicht ich sein – das hat ja jeder von uns schon versucht und wenn wir ehrlich sind, funktioniert das nicht wirklich. Nein, die wirkliche Hauptrolle ist JESUS CHRISTUS. Er hat sein Leben hingegeben für viele. Er hat sich selbst zurückgenommen, um anderen Raum zu schaffen. Und genau in dem wird er uns gleichsam zum Vorbild, wie wir aus unserer Selbstverkapselung, der Isolierung unseres ICHs und aus den eigenen Ideal- und Wunschvorstellungen herauskommen:

Wenn wir uns auf seine Geschichte einlassen, auf seine Story. Wenn wir Ihm, Gott, Raum geben in unserem Leben, dann merken wir plötzlich, dass wir gar nicht die ganze Bühne für uns alleine brauchen, dann kann ich meinen Mitmenschen Raum geben, ich kann mich auf sie einlassen.

 

Und deswegen sind wir Christen der Überzeugung, dass mit Jesus Christus ein neues Kapitel in der Weltgeschichte begonnen hat. Die Story von Jesus ist nicht nur eine unter vielen, nicht eine Bühne unter mehreren, sondern es ist die Geschichte, die Gott mit seinen Menschen schreibt, die Hauptstory, auf der am Ende alle Scheinwerfer gerichtet sind. Meine ganz persönliche Story wird aus menschlicher Perspektive einmal vergessen sein, und die Story von Jesus Christus wird sich einmal mehr als die Wahre und Richtige herausstellen. Die “frohe Botschaft” – wie man so schön sagt – ist, dass ich in die wahre Geschichte eintreten darf. Dass ich eine Rolle auf der Hauptbühne spielen darf und dass ich letztlich in dieser größeren Geschichte gut aufgehoben bin.

Und deshalb – liebe Leute – sucht und braucht die heutige Jugend Gott, weil sie nicht ihr eigenes Skript, ihre eigene Story schreiben können, weil wenn sie selbst die Hauptrolle spielen und alle anderen zur Nebenrolle machen, am Ziel vorbeischießen. Deshalb suchen junge Menschen Gott.

 

Gott schreibt die Story, Jesus ist die Hauptrolle. Und ich und du können als Schauspieler auf der Hauptbühne mitspielen.

 

Fragen:

  • Welches Bild/welche Vorstellungen habe ich von Gott?
  • Wo schreibe immer noch ich das Skript des Theaters?
  • In welchem Bereich meines Lebens bin immer noch ich die Hauptrolle auf der Bühne?
  • Will ich mein Leben loslassen, um es zu gewinnen?

BO

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