Wilhelm Egger, der Diözesanbischof von Bozen/Brixen besuchte einmal den hutterischen Bruderhof von Woodcrest in der Nähe von New York/USA. Am Ende des Tage, nach versöhnlichen Gesprächen, lud er die versammelte Hutterergemeinschaft ein, das „Vater unser“ zu beten. Zu seinem Erstaunen, kannten sie dieses einzigartige, christliche Gebet nicht auswendig, sodass er es am Ende alleine betete.

Das „Vater unser“ ist DAS Gebet, das über 2 Milliarden Christen weltweit, unterschiedlichem Couleur beten. Es dürfte somit das meist gebetete Gebet auf diesem Globus sein.  Es ist das einzige Gebet, das Jesus seinen Jünger lehrte und deshalb besondere Aufmerksamkeit verlangt. Jesus sagte (Matthäus 6,7-13):

Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!

Dein Name werde geheiligt.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

Darum sollt ihr so beten

Jesus lehrt uns, wie man beten soll. Dabei geht es nicht in erster Linie um ein vorformuliertes Gebet, das man nachsprechen muss, sondern es geht um den modellhaften Aufbau eines Gebetes. Natürlich, ist auch das Rezitieren des Vaterunserer wichtig, solange wir die Worte Jesu beherzigen, die sagen: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Luther sagte mal: „Das Vaterunser ist der größte Märtyrer, weil es so viel gedankenlos gebetet wird.“

Unser Vater im Himmel!

Unser…. Der Vater ist nicht MEIN Vater, Er ist UNSER Vater. Das Aramäische (Matthäus hat in Aramäisch geschrieben) spricht von Abba, Papi. Es ist weniger der Titel „Vater“ als vielmehr die vertraute Anrede, an den geliebten Papa. Er ist der Papa, der Vater aller seiner Söhne und Töchter. Er ist der Vater aller, die zu seinem Haus, seiner Kirche wohnen. Leider ist dieses Bewusstsein nicht bei allen Christen sehr ausgeprägt. Im Hause des Vaters gibt es keine Unterschiede. Er kennt keine katholischen, evangelischen, orthodoxen oder freikirchlichen Kinder. Er kennt nur die Namen seiner geliebten Kinder, ganz egal, welcher Denomination sie auch angehören.

Vater…. Wie kommt es dazu, dass wir Kinder Gottes sind? Johannes zeigt uns den Weg zur Gotteskindschaft: Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht (das Recht), Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben (Joh.1,12). Jeder der Jesus, den einzigen Sohn des Vaters, in sein Leben „aufnimmt“, dem gibt er das legale „Recht“, ein Kind Gottes zu sein. Dieses Recht, hat Jesus für uns, am Kreuz rechtmäßig erworben.

Dein Name werde geheiligt.

Martin Buber, der österreichisch- israelische Religionsphilosoph sagte mal; „dass uns bei allem schädlichen Missbrauchs, der mit Gottes Name getrieben wurde, der Mut vergehen möchte, ihn zu nennen.“ Wie gehe ich mit dem heiligen Namen Gottes um? Diese erste Bitte im Vaterunser führt uns zurück zum 2. Gebot, das JHWH Mose gegeben hat: Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbrauch (2. Mose 20,7).

Jesus geht in seiner Lehre jedoch weiter; er spricht nicht von „Missbrauch“ sondern von „Heiligung“. Wie kann man Gottes Namen heiligen? Man kann durch loben, anbeten und singen seinen Namen heiligen. Ihn rühmen und preisen, für das, was er ist und getan hat. Im Gottesdienst haben wir immer eine Zeit des Lobpreises und der Anbetung. In dieser Zeit wird Gottes Namen geheiligt.

Dein Reich komme.

Das Reich Gottes, das es im Himmel bereits gibt, soll durch uns auf die Erde kommen. Während das alte Reich, in welchem wir alle hinein geboren sind, mit allen seinen Mängeln noch da ist (Krankheit, Sünde, Entzweiung, Neid…), fängt das neue Reich Gottes parallel an zu wachsen. Dieses Reich wird auf der Erde, mit Menschen in Fleisch und Blut nie vollkommen sein. Wir sollten dieses Ziel zwar anstreben, aber die Vollendung wird erst im Neuen Jerusalem sichtbar sein.

Bei der Formulierung dieser Bitte, schließen wir uns dem Auftrag Jesu an. Jesus zog umher in ganz Galiläa, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich (Matthäus 4,7). Jesus predigte: Tut Buße, denn das Himmel Reich ist nahe herbeigekommen (Matthäus 3,2). Deshalb sollen wir auch, zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit trachten (Matthäus 6,33).

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Der Himmel ist der Ort, wo Gottes Wille uneingeschränkt geschieht. Die Erde, ist oft das Gegenteil davon. Wenn sich Menschen deshalb aufmachen, den Willen Gottes zu erkennen und ihn auf die Erde zu bringen, erleben sie „Zeichen und Wunder“. Jesus sagte, denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll (Joh. 12,49). Er sah, was der Vater im Himmel tat und tat dasselbe auf der Erde. So verheißt Jesus, was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn (Joh.14,13). Im Namen Jesus etwas bitten, heißt in Übereinstimmung mit seinem Willen bitten. Wir beten, erkennen was er tun will und bitten, dass er es tut. Dies klingt simpel, ist es aber nicht. Dennoch liegt darin, eine ungeheure Sprengkraft verborgen, um Gottes Wirken auf die Erde zu bringen. Er tut es nicht ohne uns. Er macht sich abhängig von unserem Gebet und unserer Bereitschaft.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Es scheint, dass diese menschliche Bitte nicht in das Vaterunser passt. Es geht bei dieser Bitte nicht um Gott, oder Reich Gottes oder seinem Willen, sondern um unser „tägliches Brot“. Ja, aber darum geht es. Ohne das täglichen Brot, leben wir nicht lange. Brot ist jenes Nahrungsmittel, das alle Völker und Kulturen auf der Erde, in unterschiedlicher Tradition haben. Es ist das Grundnahrungsmittel schlechthin. Damals, noch mehr als heute. Insofern, steht das Brot stellvertretend für unsere tägliche Nahrung. Wir sollten uns heute, in unserer modernen Gesellschaft wieder neu klar machen, dass alle Nahrung von Gott kommt. Wir sollten nicht leichtfertig zu Tisch sitzen und essen. Vorher sollen wir dem Geber aller guten Gaben danken. Diese Angewohnheit, vor dem Essen Gott dem Schöpfer zu danken, ist eine exzellente Möglichkeit, um mehrmals am Tag, im Kreise der Familie und Freunden, einen besinnlichen Moment zu schaffen.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Es gibt keinen Menschen ohne Schuld und Sünde. Der Apostel Paulus schrieb an die Christen in Rom ein vernichtendes Urteil, zur Selbstgerechtigkeit der Menschen: Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. Ihr Rachen ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen betrügen sie, Otterngift ist unter ihren Lippen; ihr Mund ist voll Fluch und Bitterkeit. Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Jammer, und den Weg des Friedens kennen sie nicht. Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen.« Wir wissen aber: was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind, damit allen der Mund gestopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, weil kein Mensch durch die Werke des Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde (Römer 3, 11-20). Die Menschheit, ist mit diesem Urteil nicht einverstanden. Aber so ist es einmal. Nicht aus unserer Perspektive, sondern aus der Perspektive Gottes. Wir brauchen deshalb die Vergebung unserer Schuld. Wir sind der Mensch, der in den Sumpf gefallen ist und versucht, sich selbst beim Hemdkragen heraus zu ziehen. So macht der Apostel klar, ob religiös oder nicht, wir schaffen es nicht und brauchen deshalb einen Retter von außen. Gott vergibt uns, aufgrund der Erlösung von Jesus. Er knüpft dies jedoch an eine weitere Bedingung: vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Wie vergebe ich meinem Nächsten? Wie vergebe ich jenem Mensch, der sich an mir versündigt hat? So, genauso vergibt Gott, der gerechte Richter, uns! Wer nicht vergibt, schadet sich selbst am meisten. Martin Luther King prägte den Satz: Vergebung ist nicht eine einmalige Sache. Vergebung ist ein Lebensstil.

 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Diese letzte Bitte ist etwas verwirrend: Ja kann uns Gott in Versuchung führen? Er wird uns doch eher davor bewahren? Jakobus, der Bruder Jesu sagt dazu folgendes: Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt (Jak.1,13-14). Also dann, wenn Gott nicht versucht, warum sollen wir darum beten, dass er uns nicht versucht?

In Matthäus lesen wir, dass Jesus vom Geist in die Wüste geführt wurde, damit er von dem Teufel versucht würde (Matth.4,1). Der Hebräerschreiber bekräftige, dass Jesus versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde (Hebr. 4,15). Wenn wir an Hiob denken, dass wissen wir, dass der Satan bei Gott im Himmel vorstellig wurde und von Gott die Erlaubnis bekommen hat, ihn zu versuchen und mit dem Verlust seiner Güter und Krankheit zu schlagen (Hiob 1-2).

Das will heißen, dass Gott Versuchung zulässt?

Hier ist wichtig, dass wir nicht Birnen mit Äpfeln vertauschen: es gibt eine Versuchung, die aus unserer sündhaften Natur, dem „Fleisch“ kommt, und es gibt eine andere Versuchung, die vom „Bösen“ entspringt. Beides sind Versuchungen, aber der Ursprung ist ganz verschieden.

Einmal kommt die Versuchung von innen, aus unserer fleischlichen Lust, aus unserer Seele und streitet wieder den Geist (Gal. 5,16-17). Diese Versuchung kann nur durch die Fülle des Geistes gewehrt werden.

Dann gibt es eine Versuchung von außen, wenn das Reich der Finsternis sich aufmacht, um uns zu zerstören. Wir hören in den letzten Wochen von schrecklichen Prognomen an Christen in Syrien, Ägypten und Libyen. Christen werden hingerichtet nur weil sie dem christlichen Glaube nicht abschöre wollen. Was haben diese Christen also falsch gemacht, dass Gott sie davor nicht bewahrt hat?

Es kann sein, dass Gott uns vor Verfolgung und Martyrium schützt. Er hat Petrus einen Engel geschickt und ihn aus dem Gefängnis geleitet. Die Türen öffneten sich von alleine (Apg. 12). Im selben Kapitel wird berichtet, dass Jakobus, der Bruder des Herrn, mit dem Schwert getötet wurde (Apg. 12,2).

Somit ist die Bitte um Bewahrung nicht so zu verstehen, dass uns Gott immer aus der Schusslinie nimmt. Cyprian ein Kirchenvater (er erlitt selbst den Märtyrertod) schrieb dazu, „wenn wir bitten, dann drücken wir das Wissen aus, dass der Feind nichts wider uns vermag, wenn es ihm nicht vorher gestattet wird, so dass unsere Furcht, unsere Hingabe und unsere Aufmerksamkeit sich auf Gott richtet, weil ja dem Bösen nichts gestattet ist, wenn ihm nicht Vollmacht dazu gegeben wird.“[i] Paulus wiederum beteuert: Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt (1.Kor.10,13)

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen


Bergpredigt

„Unser Vater…“

Die goldene Regel

Die Kultur Jesu, im Umgang mit Konflikten

Eine Kultur der Bescheidenheit, Einfachheit und des Gottvertrauens

Selig sind die da geistlich arm sind

Selig sind die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit

Selig sind die Friedensstifter

Selig sind die Sanftmütigen 1

Seligpreisungen – die Kultur des Königreich Gottes

Wer Jesu Worte hört und tut

[i] Jesus von Nazareth, Josef Ratzinger, S.198

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