Der Einfluss der Täufer und deren Ableger “die Hutterer” in Südtirol, wird kaum erkannt und gewürdigt. Dabei sind sie die Vordenker einer Gesellschaft, in der wir heute leben.
Das Erbe der Hutterer
Kaum eine christliche Religionsgemeinschaft wurde so lange du nachhaltig verfolgt wie sie, kaum eine, hat so nachhaltige Spuren in der westliche Kultur hinterlassen wie sie.
- Sie forderten vor fast 500 Jahren die Trennung von Religion und Staat. Sie wurden deshalb stark verfolgt. Ihr Modell von der Trennung von Religion und Staat wurde von den Pilgervätern und Gründern der USA übernommen, festgeschrieben und wurde Bestandteil von allen modernen Demokratien weltweit.
- Sie waren überzeugt, dass man keinen Krieg führen darf, dass man sich nur mit dem Stab und nicht mit dem Schwert verteidigen darf. Sie waren die ersten Pazifisten in unserer modernen Welt. Sie setzten sich bis heute nicht gewaltsam zur Wehr. Im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, sind 75% ihrer Anhänger gewaltsam umgekommen.
- Sie haben nach Apostelgeschichte Kapitel 2, die Gütergemeinschaft eingeführt. Alle, die in ihrer Gemeinschaft leben wollten, legten alle ihre Habe zusammen. Sie waren somit die ersten Sozialisten, vor Marx, Engels und Lenin. Kommunistische Weltreiche sind gekommen und sind gegangen und sie sind geblieben.
- Sie mussten Hals über Kopf aus ihrer Heimat flüchten. Sie kamen mittellos nach Mähren, in die heutige Slovakei und mussten sich neu organisieren. Deshalb bauten sie sogenannte Bruderhöfe. In diesen „Haushaben“, wie sie es auch nannten, stellten sie vor allem Keramik her und revolutionierten die Esskultur in Mitteleuropa. Bis zu jener Zeit aß man aus Zinngeschirr, denn Keramik war zu teuer. Jetzt wurde Keramik so billig, dass sie auch für die Bürger erschwinglich wurde. Die Habaner Keramik (so der tschechische Namen für die Hutterer) wird in vielen Museen der Slovakei, Rumänien und der Tschechei heute ausgestellt.
- Sie mussten in wenigen Jahren ca. 40.000 Flüchtlinge, von überall aus dem deutschsprachigen Europa aufnehmen. Und sie taten es, beschäftigten Männer und Frauen in ihren Manufakturen. Weil auch die Frauen arbeiteten führten sie die allgemeine Schulpflicht ein und die „Klankinderschuel“ für Kinder im Vorschulalter ein. Somit hatten sie, 200 Jahre vor der großen Schulreform, von Maria Theresia, die allgemeine Schulpflicht für Buben und Mädchen. Zudem waren sie die Erfinder des Kindergartens und der Kinderkrippe.
- Ihnen ging die Reformation von Zwingli und Luther zu wenig weit. Sie wollten mehr, als eine reformierte Theologie und Kirchen ohne Götzen. Sie wollten das ganze biblische Modell umsetzen. Sie wollten, dass die Kirche aus entschiedenen Gläubigen besteht und nicht automatisch aus den politischen Bürgern eines Staates. Sie wollten FREI sein und gründeten deshalb die erste „Freikirche“. Diesem Modell folgen bis heute über eine Milliarde Gottesdienstbesucher weltweit. Wenn man bedenkt, dass bei den großen christlichen Volkskirchen der größte Mitgliederanteil nicht praktizierende Traditionschristen sind, ist diese christliche Bewegung, fast unbemerkt, zur größten christlichen „Kirche“ herangewachsen. Und, wie sollte es anders sein, das größte Wachstum verzeichnen die Freikirchen in wirtschaftlich schwierigen Ländern und dort, wo der christliche Glauben verfolgt wird, wie in muslimischen Ländern, in Indien und in China.
Dieses Volk heißt, wie sie alle vermuten, die Hutterer. Die Bewegung geht zurück auf einen sehr charismatischen Prediger, Jakob Hutter, der im frühen 16. Jahrhundert in Moos bei St. Lorenzen, im Pustertal geboren wurde. Seine wenigen Nachfolger die Hutterer haben, ohne es zu wissen, die Kulturgeschichte von Milliarden von Menschen mit geprägt.
Sie wurden das, was Jesus in Matthäus 5,13 sagte: “Ihr seid das Salz der Erde.“ Ihre Ideen waren revolutionär, man wiedersprach ihnen, man bekämpfte sie, man überhäufte sie mit Spott und Hohn und sie wurden Bestandteil unserer westlichen Kultur.
Stefan Kuhn
https://christengemeinden.it/1393/
Quelle:
https://de.wikibooks.org/wiki/Entstehungsgeschichte_der_Hutterer