Skla­ve­rei ist ei­nes der größ­ten Ver­b­re­chen ge­gen die Men­sch­lich­keit. Erst seit dem 19. wird sie geächtet.

Es ist dem jahr­zehn­te­lan­gem Kampf von evan­ge­li­ka­len Chris­ten zu dan­ken, dass ei­ne Form die­ses Übels welt­weit in gro­ßen Tei­len ab­ge­schafft wur­de. Be­son­ders ei­ne Per­son hat die­sen Frei­heits­kampf vor­an­ge­trie­ben: Wil­liam Wil­ber­for­ce. Der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list Eric Me­ta­xas hat ei­ne span­nen­de Bio­gra­phie über den mu­ti­gen Chris­ten ge­schrie­ben. Das Buch wird am 5. Ok­tober auf Deutsch er­schei­nen.

Am 26. Ju­li 1833 ver­ab­schie­de­te das bri­ti­sche Un­ter­haus ein Ge­setz, das die Welt ve­r­än­dert hat. Al­le Skla­ven in bri­ti­schen Be­sit­zun­gen wur­den frei­ge­las­sen, die Skla­ven­eig­ner er­hiel­ten ei­ne Ent­schä­d­i­gung. Vor­aus­ge­gan­gen war ein jahr­zehn­te­lan­ger Kampf en­ga­gier­ter evan­ge­li­ka­ler Chris­ten in En­g­land ge­gen die Skla­ve­rei. Wil­liam Wil­ber­for­ce war die her­aus­ra­gen­de Per­son in die­sem Frei­heits­kampf. Sei­ne Le­bens­ge­schich­te liest sich wie ein Kri­mi. Au­tor Eric Me­ta­xas, des­sen Bon­ho­ef­fer-Bio­gra­fie 2011 Auf­se­hen er­regt hat, hat die Ga­be, his­to­ri­sche Be­ge­ben­hei­ten le­ben­dig zu be­sch­rei­ben.

Und so schafft er vor dem geis­ti­gen Au­ge des Le­sers ei­ne Vor­stel­lung des vor­vik­to­ria­ni­schen En­g­land des 18. und 19. Jahr­hun­derts. Es war ei­ne raue und bru­ta­le Zeit, in die Wil­ber­for­ce hin­ein­ge­bo­ren wur­de. Aber auch ei­ne Zeit der Er­we­ckung („Great Awa­ke­ning“). Pre­di­ger wie Ge­or­ge Whi­te­field und John Wes­ley er­reich­ten rie­si­ge Men­schen­men­gen. Die Aus­b­rei­tung des Evan­ge­li­ums ve­r­än­der­te En­g­land und sei­ne Ko­lo­ni­en nach­hal­tig. Be­deu­ten­de His­to­ri­ker wie Le­cky, Halévy oder Tem­per­ley sp­re­chen Wes­ley das Ver­di­enst zu, „En­g­land vor ei­ner blu­ti­gen Re­vo­lu­ti­on be­wahrt zu ha­ben, die der fran­zö­si­schen von 1789 gleich­ge­kom­men wä­re“ (Garth Le­an).

Wil­ber­for­ce leb­te als Kind ei­ni­ge Zeit bei sei­ner Tan­te und sei­nem On­kel in Wim­b­le­don. Bei­de stan­den dem ge­ra­de ent­ste­hen­den Me­tho­dis­mus sehr na­he. In Wim­b­le­don be­geg­ne­te der Zehn­jäh­ri­ge John New­ton. Der ehe­ma­li­ge Skla­ven­händ­ler hat­te sich zum Chris­ten­tum be­kehrt. Das von ihm ver­fass­te Lied „Ama­zing Gra­ce“ wur­de welt­be­rühmt. Die­se Be­geg­nung kon­fron­tier­te Wil­ber­for­ce zum ers­ten Mal mit dem Un­recht der Skla­ve­rei. Das The­ma soll­te spä­ter sei­ne Ar­beit und sein Le­ben prä­gen und die Welt für im­mer ve­r­än­dern.

Als Christ wei­ter­hin Po­li­ti­ker?

Zu­nächst macht der ju­gend­li­che Wil­ber­for­ce ei­ne stei­le Kar­rie­re als Po­li­ti­ker. Als be­g­na­de­ter Red­ner und ge­schickt im Um­gang mit Men­schen hat er idea­le Vor­raus­set­zun­gen für die po­li­ti­sche Ar­beit im bri­ti­schen Un­ter­haus. Ein ein­schnei­den­des Er­eig­nis war ei­ni­ge Jah­re spä­ter sei­ne Be­keh­rung zum Chris­ten­tum. „Wil­ber­for­ce‘ ‚gro­ße Wand­lung'“, sch­reibt Me­ta­xas, „voll­zog sich nicht über Nacht oder in ei­nem ein­zi­gen Au­gen­blick.“ Da­für ging sie um­so tie­fer. Ei­ne wich­ti­ge Fra­ge war für ihn, ob er wei­ter Po­li­ti­ker blei­ben konn­te. Me­ta­xas be­sch­reibt, wie der da­mals Sech­s­und­zwan­zig­jäh­ri­ge Rat bei New­ton such­te. Die­ser er­mu­tig­te ihn, in der Po­li­tik zu blei­ben, weil ihn Gott dort ge­brau­chen kön­ne.

Auch sein Freund Wil­liam Pitt, der jüngs­te Pre­mier­mi­nis­ter der bri­ti­schen Ge­schich­te, riet ihm da­zu. Me­ta­xas stellt da­zu fest: „So­mit war der De­zem­ber 1785 – als so­wohl New­ton als auch Pitt Wil­ber­for­ce rie­ten, zu blei­ben, wo er war, näm­lich in der Po­li­tik, und sei­ne neu ge­won­ne­ne Per­spek­ti­ve in die­sem Be­reich zu nut­zen – ein his­to­ri­scher Mo­ment.

Bis zu die­sem Zeit­punkt hät­ten vie­le hin­ge­ge­be­ne Chris­ten sich theo­lo­gisch in der Pf­licht ge­se­hen, ‚die Welt‘ zu ver­las­sen und ein Le­ben im Di­enst für Chris­tus zu füh­ren. Wil­ber­for­ce’ Ent­schei­dung, sich wei­ter­hin in der Po­li­tik zu en­ga­gie­ren, er­mög­lich­te es Ge­ne­ra­tio­nen zu­künf­ti­ger Chris­ten, christ­li­che Ge­dan­ken in den bis­lang ’säk­u­la­ren‘ Be­reich der Ge­sell­schaft zu über­tra­gen.“ Und es war der rich­ti­ge Weg für Wil­ber­for­ce, um zwei wich­ti­ge An­lie­gen um­zu­set­zen. In ei­nem Ta­ge­buch­ein­trag for­mu­liert er dies so: „Der all­mäch­ti­ge Gott hat mir zwei gro­ße Zie­le vor Au­gen ge­s­tellt: die Be­kämp­fung des Skla­ven­han­dels und die Re­for­ma­ti­on der Sit­ten.“



Ver­rückt oder von Gott in­spi­rier­t

Wil­ber­for­ce war nach sei­ner Be­keh­rung tief be­wegt vom ge­sell­schaft­li­chen Ver­fall sei­ner Zeit. Das Le­ben im bri­ti­schen Kö­n­ig­reich war da­mals äu­ßerst ge­walt­tä­tig und de­ka­dent. Die Al­ko­hol­sucht hat­te epi­de­mi­sche Aus­ma­ße an­ge­nom­men. Hoff­nungs­lo­sig­keit griff im­mer mehr um sich. Öf­f­ent­li­che Hin­rich­tun­gen – bei­spiels­wei­se auf­grund von Dieb­stahl – lie­ßen die Men­schen im­mer mehr ver­ro­hen. 25 Pro­zent al­ler le­di­gen Frau­en in Lon­don wa­ren Prosti­tu­ier­te, im Durch­schnitt wa­ren sie gra­de 16 Jah­re alt. All dies be­küm­mer­te und be­weg­te Wil­ber­for­ce sehr. Und so be­müh­te er sich, die so­zia­len Zu­stän­de durch neue Ge­set­ze zu ver­bes­sern. Das ver­stand er un­ter „Re­for­ma­ti­on der Sit­ten“.

Me­ta­xas sch­reibt zu der oben er­wähn­ten Ta­ge­buch­no­tiz: „Als Wil­ber­for­ce mit acht­und­zwan­zig Jah­ren die­se Wor­te nie­der­schrieb, muss er ent­we­der ver­rückt oder schwach­sin­nig ge­we­sen sein – oder es war tat­säch­lich Gott, der ihn zu die­sen Zie­len in­spi­rier­te. Men­sch­lich ge­se­hen war es un­mög­lich, auch nur ei­nes da­von zu er­rei­chen. Je­doch be­zeugt die Ge­schich­te ver­blüf­fen­der­wei­se, dass Wil­ber­for­ce in der Tat ent­schei­dend da­zu bei­trug, bei­de Zie­le zu sei­nen Leb­zei­ten zu ver­wir­k­li­chen … Nicht vie­le ka­men auf den Ge­dan­ken, die Ar­men und Lei­den­den we­der zu ver­ur­tei­len noch sie zu igno­rie­ren, son­dern ih­nen so­zu­sa­gen die Hand zu rei­chen und auf­zu­hel­fen. Doch ge­nau die­sen drit­ten Weg schlug Wil­ber­for­ce nun ein.“

Me­ta­xas be­tont den ein­deu­tig christ­li­chen Cha­rak­ter der bri­ti­schen Be­we­gung zur Ab­schaf­fung der Skla­ve­rei (Abo­li­tio­nis­mus), „denn vie­le ih­rer füh­r­en­den Köp­fe han­del­ten al­le­s­amt nach den Prin­zi­pi­en ih­res tief ver­wur­zel­ten Glau­bens“. Die an­g­li­ka­ni­sche Kir­che sah da­mals kei­nen Zu­sam­men­hang zwi­schen den Aus­sa­gen der Bi­bel und der Skla­ve­rei. Zu­dem hat­te sie viel Geld in west­in­di­sche Plan­ta­gen in­ves­tiert. So wa­ren es die christ­li­chen Au­ßen­sei­ter – Me­tho­dis­ten oder „Non­kon­fir­mis­ten“, wie die Quäker oder die „Böh­m­i­schen Brü­der“ – die die­sen Wi­der­spruch auf­zeig­ten. Die grau­sa­men Zu­stän­de, die im Zu­sam­men­hang mit dem Skla­ven­han­del stan­den, wa­ren der da­ma­li­gen Ge­sell­schaft kaum be­wusst. Ei­ne wich­ti­ge Auf­ga­be leis­te­ten die Abo­li­tio­nis­ten, in­dem sie die Öf­f­ent­lich­keit in­for­mier­ten – bei­spiels­wei­se über die men­schen­ver­ach­ten­den Zu­stän­de auf den Skla­ven­schif­fen. Künst­ler schu­fen Bil­der und Ge­dich­te, um das sch­rei­en­de Un­recht ins Be­wusst­sein der Men­schen zu brin­gen.

Sieg nach 18 Jah­ren

1789 brach­te Wil­ber­for­ce zum ers­ten Mal ei­nen An­trag zur Ab­schaf­fung des Skla­ven­han­dels im Un­ter­haus ein. Nach­dem die­ser ab­ge­lehnt wur­de, stell­te er Jahr für Jahr wei­te­re An­trä­ge. Nach 18 Jah­ren Kam­pag­ne ge­gen die Skla­ve­rei wur­de end­lich am 28. Fe­bruar 1807 das Ge­setz ge­gen den Skla­ven­han­del ver­ab­schie­det. Von nun an war Han­del mit Skla­ven im Macht­be­reich des bri­ti­schen Kö­n­igs­reichs ver­bo­ten. Nach die­sem Etap­pen­sieg setz­te sich Wil­ber­for­ce wei­ter für die grund­sätz­li­che Ab­schaf­fung der Skla­ve­rei ein, auch welt­weit. Drei Ta­ge vor sei­nem Tod konn­te er am 26. Ju­li 1833 noch er­le­ben, wie die Skla­ve­rei selbst in Großbri­tan­ni­en ab­ge­schafft wur­de.

Das über 400 Sei­ten star­ke Werk Me­ta­xas gibt ei­nen be­we­gen­den Ein­blick in ei­nen der wich­tigs­ten Men­schen­rechts­kämp­fe der Ge­schich­te, den über­wie­gend evan­ge­li­ka­le Chris­ten aus­ge­foch­ten ha­ben. Da Wil­ber­for­ce in Deut­sch­land nur we­nig be­kannt ist und es kaum deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur über ihn gibt – ist es wich­tig, dass die­ses Werk ver­öf­f­ent­licht wur­de. Me­ta­xas st­reicht das Rin­gen Wil­ber­for­ce’ über sei­nen Weg in der Po­li­tik klar her­aus. Bei al­len Ak­ti­vi­tä­ten ist Wil­ber­for­ce im­mer ein Ver­kün­di­ger des Evan­ge­li­ums ge­b­lie­ben.

„Wil­ber­for­ce – Der Mann, der die Skla­ve­rei ab­schaff­te“ zeigt: Wer et­was ve­r­än­dern will, braucht ei­nen lan­gen Atem und Un­ter­stüt­zung von Gleich­ge­sinn­ten und der Öf­f­ent­lich­keit. John Wes­ley schrieb Wil­ber­for­ce am 24. Fe­bruar 1791 kurz vor sei­nem Tod in ei­nem Brief: „Wenn Gott Sie nicht ge­nau da­zu be­ru­fen hat, wird der Wi­der­stand von Men­schen und Teu­feln Sie zer­mür­ben. Aber ist Gott für Sie, wer kann wi­der Sie sein? Sind denn sie al­le zu­sam­men stär­ker als Gott? Oh, wer­den Sie nicht mü­de, Gu­tes zu tun! Ge­hen Sie im Na­men Got­tes und in der Stär­ke sei­ner Macht wei­ter voran, bis selbst die ame­ri­ka­ni­sche Skla­ve­rei (die übels­te, wel­che die Son­ne je sah) da­vor ver­schwin­den wird.“ (pro)

Wer sich mit Wil­liam Wil­ber­for­ce be­schäf­ti­gen möch­te, fin­det mit der Spiel­film-DVD „Ama­zing Gra­ce – Ei­ne wah­re Ge­schich­te“ ei­ne her­vor­ra­gen­de Ein­füh­rung.

Buch: Wil­ber­for­ce: Der Mann, der die Skla­ve­rei ab­schaff­te, Häns­ler Ver­lag, 416 Sei­ten – 978-3-7751-5391-1


Der Teppichknüpfer

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